Wunibald Müller

Das Ende der Monarchie in der Kirche
     – Die Ermächtigung der Laien durch die Taufe

„Mit Kirche darf ich nicht scheiße aussehen“,sagen viele Jugendliche, danach gefragt, was ihnen die Kirche bedeutet. So die Shell-Jugendstudie aus dem Jahre 2010. Da sie aber das Gefühl haben, genau das zu tun, nämlich, dass sie mit der Kirche scheiße aussehen, lassen sie lieber die Finger von ihr. Inzwischen sind es aber längst nicht mehr nur Jugendliche, die das sagen und so empfinden, sondern zunehmend auch ältere Menschen, die treue Kirchgänger sind, sich bisher zu ihrer Kirche bekannt und sich mit ihr identifiziert haben. Die Missbrauchskrise hat bei ihnen das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. So fühlen sie sich betrogen von den Priestern, die Täter sind, von den Bischöfen und Verantwortlichen in der Kirche, die den Missbrauch vertuscht haben. Auch geraten sie zunehmend in Gewissennot, fragen sich, ob sie weiterhin eine Organisation unterstützen können, die inzwischen in den Augen vieler als Täterorganisation gesehen wird. Viele unter ihnen sind traurig, andere erleben sich als hilflos, viele resignieren.

Wieder andere regen sich gottseidank noch auf, also regen sich, bewegen sich. Empören sich, also gehen nach vorne, auch im Sinne von „empor die Herzen“.Noch und gottseidank. Heißt das doch, dass ihnen die Kirche weiterhin etwas bedeutet. Noch. Mir kommt es manchmal so vor, als gäbe es nochmals ein Aufbäumen. Ja, ein Aufbegehren gegen das klerikale System, die Unterdrückung durch Männer, die nicht vom Volk Gottes bestellt worden sind. Die von oben eingesetzt worden, ihnen einfach vorgesetzt worden sind. Mag man es drehen und wenden und spirituell begründen wie man will. Diese Männer haben aber in der Vergangenheit in vielerlei Hinsicht versagt und tun es leider heute auch noch. Sind zum Teil so verstockt, so betriebsblind, so sehr von ihrer angeblich einzigartigen Berufung geblendet, dass sie unfähig sind, statt dem Gesetz des Kirchenrechts dem Gesetz der Liebe zu folgen und dabei noch die Dreistigkeit besitzen, Gott für ihr Verhalten zu vereinnahmen. Wohin das geführt hat, ist offensichtlich. Wohin es führen wird, absehbar.

Die Abwesenheit Gottes in der Kirche

Was ist das für ein System, so fragen sich immer mehr, in dem Personen die Verantwortung hatten und haben, die über Jahrzehnte den Schrei der Betroffenen nicht gehört haben, nicht hören wollten, unterdrückt haben? Deren Herz sich nicht vor Schmerz gekrümmt hat angesichts deren Schicksals? Was ist da falsch gelaufen. Was läuft da in der Kirche falsch, dass so etwas geschehen kann? Wo ist da Gott?

Ja, wo war, ist da Gott? Gott hat letztlich keine Rolle gespielt. Eine Rolle gespielt haben das Ansehen der Kirche und ihrer vornehmsten Vertreter. Ihr Licht, ihr Glanz, ihre angebliche Reinheit, ihre Heiligkeit. Und Gott? Der saß in der Ecke. Der verdrückte sich zusammen mit den betroffenen Opfern in die Ecke. Verkrümelte sich dort. Weil er in der Kirche keinen Platz hatte. Sich dort nicht wohlfühlte unter all denen, die sich angeblich darum bemühten, dass sein  Name nicht beschmutzt wird, offensichtlich dabei aber gar nicht merkten, dass sie genau das taten. Nicht in böser Absicht. Sondern, so hart es klingt, aus Herzlosigkeit. Genau das aber ist auch der Grund dafür, dass sie keinen Zugang zum Herzeleid der Opfer hatten.

Aber auch keinen Zugang zu Gott, der sich nicht von der Kirche, nicht vom Kirchenrecht, nicht von Dogmen vereinnahmen lässt, sondern zuallererst die Liebe ist. Dessen vornehmstes Kennzeichen die Barmherzigkeit ist. Der  als der, der ich da bin ausgemacht werden kann, wo Liebe und Barmherzigkeit walten.  

Die Missbrauchskrise hat unmissverständlich deutlich gemacht, was auch ohne diese Krise bereits der Fall war: an der Kirche selbst ist etwas faul. Die Sünde kommt aus der Kirche selbst. Der üble Geruch, der von sexualisierter Gewalt in der Kirche, dem lieblosen Umgang der Bischöfe mit den betroffenen Opfern, ausging, kommt aus dem Innersten der Kirche, von der Fäulnis, die die Kirche befallen hat und die in der Gestalt des  klerikalen Systems in der Kirche ihre stärkste Ausprägung findet.

Das klerikale System

Das eigentlich Unfassbare beim Missbrauchsskandal: hier ist  das klerikale Verhalten mit Händen zu greifen: Die vom sexuellen Missbrauch Betroffenen werden nicht gehört, nicht ernstgenommen, nicht beachtet. Sie treten wie von selbst in den Hintergrund. Ein Verhalten und ein Phänomen, das offensichtlich voll in ein klerikales Denk- und Verhaltensschema passt.

Dieses klerikale System ist aber ist im Grunde genommen das System, das bis heute die innerkirchliche Interaktion bestimmt. Kennzeichen dieser Kommunikation sind: Die herausragende Position, die die klerikale Person einnimmt,  dominiert die Interaktion. Die andere Person wird entpersönlicht. Sie wird zu einem Objekt  gemacht und damit degradiert. Sie wird ihrer Würde entkleidet. Genau das kennzeichnet die Dynamik, die sich in der „Beziehung“ zwischen den Tätern und Opfern wiederspiegelt. Es ist zugleich die Dynamik, die die Beziehung zwischen Klerikern und Laien bestimmt. Hier zeigt es sich, wie wichtig es ist oder wäre, manchmal einen Schritt zurückzutreten und Kirche von außen zu betrachten. Solch ein Blick aus der Distanz lässt einen möglicherweise klarer sehen, was in der Kirche falsch läuft und der Veränderung bedarf.

Wenn einem das einmal so richtig bewusst wird, man ein solches  Verhalten nicht länger als selbstverständlich hinnimmt, was man tut, solange man ganz verloren ist in einer kirchlichen, klerikalen Sonderwelt, kann man nur zu Tode erschrecken. Wird einem doch jäh klar, dass ein solches klerikales System nichts mit Gott zu tun hat. Die Vorbehalte, die Menschen zunehmend gegenüber der Kirche haben, auch darauf zurückzuführen ist, weil ihr gesundes Empfinden ihnen sagt: da ist etwas faul. Da stimmt etwas nicht. Damit wollen wir nichts zu tun haben.

So sehr Papst Franziskus dieses klerikale System und den damit einhergehenden  Klerikalismus anprangert und damit vornehmlich die möglichen negativen Auswirkungen meint, wie Anspruchsdenken, Überheblichkeit, narzisstisches Gehabe, um nur einige zu nennen, erweckt er nicht den Eindruck, etwas am Grundgefüge dieses klerikalen Systems der Kirche ändern zu wollen. Sprich die Macht, also wer letztlich das Sagen hat in der Kirche, anders als bisher gehabt, aufzuteilen. Damit wird aber auch weiterhin, so ist zu befürchten, ein Gefälle in der Beziehung zwischen den sogenannten Laien und Klerikern bestehen. Das wird sich erst ändern, wenn die Aufteilung, da die Kleriker, dort die Laien überwunden wird.

Solange das nicht geschieht, spielt das königliche Priestertum, das im 1. Petrusbrief (2,9) allen Getauften zugesagt wird und das alle Getauften miteinander verbindet, weiterhin keine große Rolle. Dieses allen zugesagte königliche Priestertum ist aber die eigentliche Grundlage dafür, wenn es darum geht, wer Verantwortung, wer Macht in der Kirche wahrnimmt. Durch die Taufe sind wir „aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen worden“. Sind wir zum Volk Gottes geworden, „dem auserwählten Geschlecht, dem königlichen Priestertum, dem heiligen Volk. Haben wir Anteil, so heißt es in „Lumen gentium“, am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi. Sollen und dürfen wir – alle Getauften - aktiv als Priester und Priesterinnen, Propheten und Prophetinnen, Könige und Königinnen Verantwortung in der Kirche wahrnehmen.

 Auf diesem Hintergrund ist die Aussperrung des Volkes Gottes, wenn es darum geht, wer das Sagen in der Kirche hat, ein Skandal, der nicht länger akzeptiert werden kann. Das gilt umso mehr, als die Missbrauchskrise offenbart hat, dass viele Kleriker ihrer Verantwortung gegenüber der Kirche nicht gerecht geworden sind und deutlich geworden ist, welch ein menschenverachtendes Verhalten von einem System ausgehen kann, in dem autoritäre Hierarchie- und Machtverhältnisse vorherrschen.

Das wird sich erst ändern, wenn diese klerikale Struktur, hinter den Machtinteressen, das Kirchenrecht, nicht aber die Liebe, die Gott selbst ist, steht, zusammenbricht und damit sich eine echte  Chance eröffnet, dass in der Kirche die Erneuerung stattfindet, die so notwendig ist, soll die Kirche  für die Menschen – wieder - zu einem Ort werden, an dem sie eine spirituelle Heimat finden.

Die Bischöfe sind nicht wirklich bereit und in der Lage, Macht abzugeben

Es gibt Bischöfe, bei denen ich den Eindruck habe, sie haben den Ernst der Lage erkannt und sind dazu bereit, den Laien, die ihnen zustehende Teilhabe am königliche Priestertum zu ermöglichen, die Verantwortung für die Kirche und ihre Macht mit ihnen zu teilen. Sie merken aber, selbst dann, wenn sie das wollen, dass sie Gefangene des Kirchenrechts sind, das sie hier gar nicht frei handeln lässt. Die Mehrheit unter den Bischöfen hinterlässt aber den Eindruck, nicht wirklich bereit oder auch in der Lage zu sein, Macht abzugeben, sie mit den sogenannten Laien zu teilen. Sie haben ihre Machtstellung durch das Kirchenrecht, das für unantastbar und sakrosankt erachtet wird, abgesichert. Auch sind sie, einschließlich des Papstes, zu sehr Teil des Systems als dass sie in der Lage wären, die notwendigen Veränderungen und Reformen durchzuführen, die jetzt notwendig wären, zumal diese Veränderungen das System Kirche und sie selbst als Vertreter dieses Systems betreffen.  

Wie sehr die Bischöfe weiterhin wie selbstverständlich davon ausgehen, dass sie das Sagen haben, zeigt ein Interview, das der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx vor kurzem der der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gegeben hat. Darin sagt er unter anderem „Ich kann nicht erkennen, wie wir heute theologisch beiseitelegen können, was Papst Johannes Paul II. 1994 endgültig festgelegt hat: ‘dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden‘“. Aber, so meint er weiter, “Es würde schon sehr viel ändern, wenn diese Männerwelt durch die Präsenz von Frauen während der Beratungen der Bischofskonferenz und Bischofssynoden aufgebrochen würde.“ Weiter meint der Kardinal: „Dass Nichtgeweihte dann auch mit abstimmen, lässt das Kirchenrecht wahrscheinlich nicht zu. Doch es ändert ja schon die Perspektive, wenn zuvor Frauen und Männer gemeinsam diskutiert haben. Hier sehe ich noch erheblich Spielraum.“

So gut es gemeint sein mag, was Kardinal Marx hier sagt, es ist letztlich wieder eine Marginalisierung der Rolle der Frauen in der Kirche und ein Fortschreiben ihrer Diskriminierung. Wie es wohl den klerikalen Männern erginge, wenn Frauen so von diesen Männern sprechen würden? Ihre Rolle darauf beschränken würden, die Frauenwelt aufzubrechen?

So geht es weiter in dem Interview und der Kardinal gefällt sich anscheinend noch darin, möglicherweise bei solchen Äußerungen fortschrittlich rüberzukommen. Da besteht in der Tat noch ein erheblicher Spielraum, freilich nicht in dem Sinne des Kardinals.

Es ist der Spielraum, der sich ergibt, wenn die Frauen und die sogenannten Laien sich auf ein solches wieder klerikales Angebot nicht eingehen. Den Bischöfen schon einmal von vorneherein gar nicht die Macht zugestehen, hier von oben herab, aus einer Position der angenommenen Stärke heraus ein solch unanständiges Angebot zu machen, bei dem von vorneherein davon ausgegangen wird, dass ihr Laien letztlich nichts zu sagen, nichts zu entscheiden habt. Und das mit einer Selbstverständlichkeit vorgetragen wird, weil ja das Machtwort eines Papstes ist oder das Kirchenrecht offensichtlich nicht hinterfragt werden darf.

Die Bischöfe haben nicht verstanden, was die Stunde geschlagen hat

Nein, so wird, so kann es nicht gehen. So wird es nicht funktionieren. So wird sich nichts verändern, sondern mit kleinen Retuschen weitergehen wie bisher. Hier ist es geradezu mit den Händen zu greifen, dass die Bischöfe, zumindest die meisten unter ihnen, nicht verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat. Es höchste Zeit ist, dass ein Ruck durch die Kirche geht, der Blitz in die Kirche einschlägt, ein Donnerschlag erfolgt, der bis zum Himmel zu hören ist. So dass dabei äußerlich an der Struktur der Kirche zusammenbricht, was zusammenbrechen muss, und dass innerlich im Herzen ihrer Führungsschicht aufgebrochen wird, was erstarrt und verstockt ist. So dass endlich die Wende, die Umkehr erfolgt, auf die so viele warten, dass die Kirche, die Menschen, die in ihr arbeiten, zum Instrument der Liebe werden, die Gott selbst ist.

Ich traue ja dem Heiligen Geist vieles, ja alles zu. Ein solcher Donnerschlag und Blitzeinschlag, ein solches spektakuläre Auftreten des Heiligen Geistes wird es aber wohl nicht geben. Muss es natürlich auch nicht geben. Auch weil der Heilige Geist über viele andere Möglichkeiten verfügt, sich Gehör zu verschaffen und seinem Geist zum Durchbruch zu verhelfen. Er findet in den Christen, den Getauften, Verbündete, Mitstreiter und Mitstreiterinnen, die er aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat, damit sie seine großen Taten verkünden (vgl. 1Petr 2, 9). Die müssen jetzt übernehmen. Wir müssen jetzt übernehmen. Was sie, die Getauften, wir, längst hätten tun müssen. Was sie, wir, unterlassen haben, weil sie, wir, sich so sehr, ja zu sehr von den Klerikern bevormunden und in Schach halten haben lassen. Jetzt sich aber nicht länger gefallen lassen, was heißt: Sind die Bischöfe nicht dazu bereit oder auch nicht in der Lage, Macht abzugeben, sie mit den Männern und Frauen des Volkes Gottes zu teilen, müssen sie damit rechnen, dass man sie ihnen nimmt. Der Menschen, Gottes, der Kirche wegen, die offensichtlich großen Schaden erlitten hat, weil ihre sogenannten Hirten dieser Verantwortung nicht gerecht geworden sind und nicht gerecht werden. Sie haben sich in der Vergangenheit als nicht fähig erwiesen, die Kirche gemäß dem Evangelium zu leiten und vor Schaden zu bewahren.

Der Geist weht, wo er will

Bei dieser Entmachtung der Kleriker, die zugleich mit einer Ermächtigung der Laien einhergeht, wird nur eingelöst, was längst und immer schon Gültigkeit besaß, aber vergessen oder bewusst übergangen oder auch hintertrieben worden ist. Gilt doch immer schon, an was der große Theologe Karl Rahner nicht müde wurde, zu erinnern: “So ist auch in der Kirche das Amt zu respektieren, aber die Liebenden, die Selbstlosen, die Prophetischen in der Kirche machen die eigentliche Kirche aus […]“ Das aber ist eine entklerikalisierte Kirche, so Karl Rahner, „in der auch die Amtsträger in fröhlicher Demut damit rechnen, dass der Geist weht, wo er will, dass er keine exklusive Erbpacht bei ihnen eingerichtet hat, dass das nie völlig reglementierbare Charismatische ebenso notwendig zur Kirche gehört wie das Amt, das nie einfach mit dem Geist identisch ist und ihn nie ersetzen kann, dass auch das Amt seine wirklich effiziente Glaubwürdigkeit vor den Menschen nur im Erweis des Geistes und nicht durch die bloße Berufung auf die noch so legitime formale Sendung und Autorität hat.“ Faktisch werden in Zukunft, so Karl Rahner weiter, die Amtsträger nur so viel tatsächliche Autorität haben, „als sie ihnen von der Freiheit der Glaubenden durch ihren Glauben zugestanden wird. Das ist eine entklerikalisierte Kirche […].“

Wie befreiend diese Worte doch wirken und wie wahr sie sind. Da bleibt viel zu tun. Die entscheidenden Schritte  müssen mit dem Heiligen Geist im Rücken, der  weht wo er will, der keine exklusive Erbpacht bei den Amtsträgern eingerichtet hat, vollzogen werden. Was dabei ansteht, ist nicht weniger als ein revolutionärer Prozess. Geht es doch um  der Entthronung der Herrschenden in der Kirche, um die Abschaffung der Monarchie in der Kirche.

Abschaffung der Monarchie

Mit der Monarchie haben Sie hier in Österreich, aber auch wir in Deutschland so unsere eigenen Erfahrungen. Auch verbinden manche damit zunächst ein besonders prunkvolles oder elegantes Auftreten oder Selbstdarstellern in der Öffentlichkeit, das sich von Alltag und Durchschnitt abhebt. Andere denken zuerst an Sissy. Als Schüler stellte ich mir manchmal vor, wie ich in einem Theaterstück einen König spiele. Ich dachte mir, das ist die ideale Rolle: Ich bin eine wichtige Person, ohne dass ich viel leisten muss. Allein schon, König zu sein, sichert mir eine besondere, herausragende Position. Oder ich denke an den Erzbischof, der bei einem Pontifikalamt die meiste Zeit auf seinem Thron sitzt, der Zeremonienmeister um ihn herumtanzt, die Mitra auf und absetzt. Eine Predigt muss er nicht vortragen, schreiben sowieso nicht, da dafür ja die Privatsekretäre zuständig sind. Der vielleicht gerade noch die Wandlungsworte selbst vorträgt  und schließlich am Schluss bedeutungsvoll den besonderen Bischofssegen erteilt, indem er anhebt zu sprechen: „Der Name des Herrn sei gepriesen“.

Das sind meine ersten Assoziationen, wenn ich an einen Monarchen und dann auch kirchlichen Monarchen denke. Sie vermitteln etwas von dem äußeren Erscheinungsbild eines Monarchen, dem ersten Eindruck, den wir von ihm vielleicht haben. Von der Macht, die ein solcher Monarch hat, gar der absoluten Macht, die er innehat, wenn es sich bei ihm nicht nur um den Monarchen einer konstitutionellen Monarchie, sondern einer absoluten Monarchie handelt, ist dabei noch nichts zu spüren.

Dabei ist es ja diese Macht, die den Monarchen zu etwas Besonderem macht. Die uns zu ihm – zunächst – aufschauen lässt. Eine Macht, die wir ihm irgendwie selbstverständlich zusprechen, die wir ihm geben oder die er tatsächlich innehat. Zumindest vermittelt er das in der Regel. Geht er davon aus, dass er eine herausragende Rolle hat und ihm dementsprechend auch eine Sonderbehandlung zusteht. Aufgrund seiner Herkunft, göttlicher Erwählung oder was auch immer.

Und man lässt sich tatsächlich – zumindest war das so – davon blenden. Vergisst, dass es sich hier um einen Menschen handelt wie du und ich. Der, würden wir diesem Menschen nackt in der Sauna begegnen, wo er sich vermutlich aber nicht blicken lassen würde, er einfach einer von uns wäre. Was er ja auch ist und bleibt, selbst wenn er sich mit noch so vielen bunten Gewändern umhüllt und mit Insignien der Macht  ausstaffiert.

Kleider machen eben Leute. Da zeigt sich, wie wichtig die Kleidung, das Outfit, die Insignien, die Krone, die Mitra, er Stab, sind, um sich von den anderen abzuheben, sich von ihnen zu unterscheiden. Es sei denn, man lässt sich nicht davon täuschen und bewahrt sich den unverdorbenen Blick eines Kindes, das wie im Märchen vom Kaiser ohne Kleider sieht, dass der Kaiser nackt ist. Wir in einem relativierenden und verständnisvollen Sinn, feststellen, ein Mensch ist der  Papst, der Bischof. Nackt sind sie. Wie wir es auch sind.

Doch, es ist gar nicht so leicht, sich von den äußeren Eindrücken, von den wie selbstverständlich angenommenen Sonderrollen, die die Herrschenden für sich beanspruchen, frei zu machen. So tief haben sich solche Eindrücke in uns eingenistet und bestimmen unser Bild von jenen, die solche Sonderrollen wahrnehmen und für sich beanspruchen. Vor allem aber bestimmen solche Eindrücke auch unser Verhalten ihnen gegenüber und wir tun uns oft schwer, da herauszukommen, so fest haben sie sich in uns eingeprägt.

Den Herrschenden kommt das natürlich entgegen. Ganz abgesehen davon, dass sie in der Regel davon ausgehen, dass man ihnen dementsprechend begegnet: mit Hochachtung, Anerkennung, ja auch Bewunderung bis hin zur Unterwerfung. Und das selbstverständlich. Ich erinnere mich lebhaft an einen Konzertbesuch im Würzburger Dom. Die Leute stehen Schlange am Haupteingang, um Einlass zu bekommen. Da erschallt eine Stimme: “Der Bischof kommt“. Die Wartenden treten wie selbstverständlich zur Seite, um dem Bischof, der nur wie jeder andere an dem Konzert teilnehmen will, Platz zu machen. Der Bischof selbst nimmt dieses Angebot mit der größten Selbstverständlichkeit an und schreitet ungehindert zu seinem Platz – natürlich in der ersten Reihe.

Hier wird deutlich, was ja auch für den Klerikalismus gilt: Das eine sind die Kleriker beziehungsweise die Monarchen, die eine Sonderrolle für sich beanspruchen. Das andere jene, die sie in dieser Sonderrollen unterstützen. Das gilt es zu beachten, wenn es um die Abschaffung der Monarchie in der Kirche geht.

Ich bin jedenfalls für die Abschaffung der Monarchie in der Kirche. Dabei geht es um die Oberhirtengewalt der Bischöfe, die der eines absoluten Monarchen entspricht. Dessen Macht uneingeschränkt ist und die im Falles des Bischofs nach katholischem Recht unangreifbar ist, da sie auf unveränderliches göttliches Recht zurückgeführt wird (vgl. Hubert Wolf, Krypta). Dass dieses System einer absoluten Monarchie  untragbar ist, schon lange nicht mehr in unsere kirchliche Landschaft passt, ist offensichtlich. Dass man sich hier die Zähne ausbeißen kann, will man dagegen etwas ausrichten, ist ebenso offensichtlich. Hier rückt das Kirchenrecht ins Zentrum, das wie eine heilige Kuh behandelt wird, der man nichts antun darf. Doch genau das muss geschehen. Dem Kirchenrecht muss etwas angetan werden. Es muss in Teilen geschleift werden. Wie die Mauer einer anscheinend unbesiegbaren Burg geschleift werden müssen. Dabei handelt es sich aber nicht um ein Sakrileg, sondern um einen notwendigen Akt. Gegen den sich natürlich die Mächtigen, die sich das Kirchenrecht zusammengezimmert haben, vehement widersetzen werden. Haben sie doch, so werden sie nicht müde werden, ins Feld zu führen, Gott selbst hinter sich. Behaupten kann man das ja. Doch behaupten kann man vieles. Das für sie schöne  ist, dass Gott sich nicht wehrt. Sich das gefallen lässt.

Wie kann man das Kirchenrecht knacken?

Doch, wie kann man diese Situation aufbrechen, wie das Kirchenrecht knacken? Die Herrschenden, die Monarchen, werden dabei wenig hilfreich sein. Auch weil das Kirchenrecht für sie offensichtlich eine Bedeutung und Gültigkeit besitzt, die einem Dogma gleichkommt, das man nicht hinterfragen darf. Ganz abgesehen davon, dass es ihre Existenz als Herrschende sichert. Fällt das Kirchenrecht weg, wird ihnen der Boden entzogen, auf dem sich ihre Vorrangstellung gründet.

Nein! Hier kommen wir nur mit einer Entmachtung der Elite, der Abschaffung der Monarchie in der Kirche weiter, bei der das Kirchenrecht am Ende obsolet wird, endlich eingelöst wird, was in Lumen Gentium, jenem einzigartigen Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird: „Die Gemeinschaft aller Getauften ist […] das eigentliche Fundament allen Lehrens, da die Kirche in ihrer Gesamtheit, nicht die Hierarchie isoliert, indefectabilis“, unfehlbar gilt (vgl. Michael Seewald). Wörtlich heißt es in Lumen Gentium: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben, kann im Glauben nicht irren (LG 12).

Mir gefällt es, wenn hier von der Salbung des Heiligen die Rede ist und das von allen Getauften gesagt wird. Es ist die Taufe, die uns berechtigt, aber auch ermutigt, ja auffordert, unserer Verantwortung gegenüber der Kirche gerecht zu werden. Sie macht uns zu Königen und Königinnen, wie das ja oft der Taufspender erwähnt, wenn er den Täufling mit Chrisam salbt. Das aber ist auch ein Auftrag, dem wir uns nicht entziehen, den wir uns aber auch nicht von anderen aus der Hand nehmen lassen dürfen. Ein Auftrag, der für uns auch bedeuten kann zu handeln, wenn andere, die in der Kirche Verantwortung übernommen haben, ihrer Verantwortung nicht nachgekommen. Also, ihnen die Verantwortung aus der Hand zu nehmen. Sie zugleich aber auch an der Hand zu nehmen, um miteinander einen Kreis zu bilden.

Geschieht das, wird die Machtpyramide, die bisher ein oben und unten kennt, zum Einsturz gebracht und, so der Benediktiner Bruder Steindl-Rast, durch ein Netzwerk gegenseitiger Unterstützung und Ermächtigung ersetzt. Aufteilungen wie hier die Kleriker, dort die Laien, haben hier keinen Platz. Im Netzwerk muss man keine Machtposition verteidigen, weil alle gleich würdig und gleichberechtigt sind – Frauen und Männer. Das zeigt sich auch darin, dass Frauen und Männer, unabhängig davon ob sie zölibatär leben, verheiratet oder schwul sind, mit der größten Selbstverständlichkeit an der Weihevollmacht partizipieren dürfen.

Das ist die Bewegung, die mit der Entmachtung der Kleriker und der Ermächtigung der Laien einhergeht, einhergehen sollte, bei der Laien und Kleriker noch mehr aneinanderrücken, bis schließlich die Unterschiede aufgebrochen und aufgehoben werden, so dass sich der im 2. Vatikanischen Konzil begonnene fließende Übergang weiter entwickelt. Dabei handelt es sich, wenn man sich von der Dynamik des 2. Vatikanischen Konzils mitnehmen lässt, bei der hierarchischen Struktur der Kirche nicht länger um eine Monarchie in der Art einer Pyramide in dieser Form ?, also der Form eines Daches, mit den Klerikern, sprich  Papst, Bischöfen und Priestern an der Spitze. Vielmehr muss dieses Dach umgekehrt werden, in die Form eines V. Damit soll die in der Kirche geltende Struktur nach dem Verständnis des 2.Vatikanums dargestellt werden.

Denn der Papst selbst nennt sich  servus servorum, der Papst als Diener der Diener. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Der Papst als unterster Diener. Die Mitglieder der Hierarchie: Diener Gottes. Wenn das nicht eine leere Floskel sein soll, heißt das doch: der Papst steht nicht oben, sondern unten. Er ist nicht der Erste, sondern der Letzte, also ganz unten, um zu dienen. Dementsprechend heißt es auch: die Bischöfe und Priester sind nicht da, um zu regieren, sondern zu dienen (vgl. Busch 2011,179). Alles, was sie sagen, muss von da aus, von da unten aus und her, gesagt werden: sie stehen nicht zuoberst, sondern an letzter Stelle. Sie stehen im Dienst des ganzen Kreises, der ganzen Versammlung, die die Kirche bildet (vgl. Busch 2011).

Das Schöne daran ist: auch die Laien werden wie das bisher den Klerikern vorbehalten war, zu Dienern Gottes, was ohnehin der Intention des Konzilstexts über das Laienapostolat entspricht. Dort werden sie nämlich gleich nach dem Papst genannt. Die Kleriker wiederum werden endlich in das Volk Gottes, das laos theou, eingegliedert. Und das ist eigentlich kein Abstieg, sondern ein Aufstieg, oder einfach eine längst fällige Gleichstellung. Denn das meint das Wort „Laien“: Glied des laos theou, des Volkes Gottes. Von dem wir beim 2. Vatikanum vernehmen: Volk Gottes, das heißt jetzt laos theou, Kirche – Kirche ist das Laienvolk!

Die unselige Trennung hier die Kleriker, dort die Laien, wäre, ist damit überwunden. Das aber ist so notwendig, da wir nur zusammen - Laien, kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Bischöfe, Papst - aus dieser unheilvollen Situation, in der sich die Kirche gegenwärtig befindet, herauskommen können. Und damit Lüge strafen, wonach, so Papst Bonifaz VIII., die Laien von alters her die Feinde des Klerus sind (vgl. Busch 2011, 529).

Miteinander den Karren aus dem Dreck ziehen

Ich bin davon überzeugt, dass wir nur miteinander den Karren aus dem Dreck bzw. der Scheiße ziehen können. Man muss es leider so drastisch  formulieren. Wir, das sind das pilgernde Volk Gottes, zu dem alle, vom Papst, über den Bischof, die kirchlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, bis hin zu den sogenannten Laien gehören. Fangen wir dort an, wo wir stehen und leben. Heute. Jetzt. Nicht erst morgen oder übermorgen. Lassen wir uns dabei von dem Brief  unseres Bruders Franziskus aus Rom an das pilgernde Volk in Deutschland inspirieren, so sehr dieser Brief auch stellenweise den Eindruck erweckt, als habe da eine Schreibwerkstatt päpstliche Zitate wie Kraut und Rüben in den Text hinein gestreut. In diesem Brief lädt er uns ein, uns gemeinsam auf den Weg unter der Führung, dem Licht des Heiligen Geistes, aufzumachen und uns dabei vom Heiligen Geist aufrütteln zu lassen.

Es beginnt damit, dass wir alle im Kreis miteinander sitzen, ein Netzwerk bilden. Da gibt es nicht länger nur einen der das Wort hat. Da reden alle mit. Auch da, wo es darum geht, wo es lang geht. Das aber verlangt von unseren bischöflichen Brüdern, ihrer Macht zu entsagen, nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch bereitwillig zu akzeptieren, dass sie sich nicht in einer übergeordneten Position befinden, dass sie nicht länger eine Position für sich beanspruchen, die ihnen mit der größten Selbstverständlichkeit das Recht gibt, andere, uns,  belehren zu können oder  vorzuschreiben, was sie, was wir,  tun und was sie, wir,  zu lassen haben. Sie dürfen, ja sollen sich, wie das jeder und jede, die im Kreis miteinander sitzen, tun dürfen, einbringen. Ja, das ist sogar gewünscht, dass wir aber miteinander reden, miteinander streiten, uns gegenseitig konfrontieren. Allerdings in beide Richtungen. Nicht länger von oben nach unten. Sondern auf Augenhöhe – von links nach rechts. Damit läuten wir das Ende der unseligen Trennung, hier die  Kleriker auf der einen Seite, dort die Laien auf der anderen Seite ein. Läuten ist dabei der richtige Begriff. Denn das Ende dieser unseligen Trennung ist Grund für ein Festtagsgeläut, ist Grund zum Feiern.

Wenn wir dagegen aufeinander losgehen, werden wir nicht weiterkommen. Bischöfe auf  Bischöfe, Bischöfe auf Laien, Laien auf Bischöfe usw. Es kann nicht darum gehen, aufeinander dreinzuschlagen. Heute spricht man hier oft von bashing. Das geschieht manchmal direkt, wenn klare Worte einem anderen um die Ohren gehauen werden. Zum Beispiel von Bischöfen, die glauben im Recht zu sein, die meinen die wahre Lehre verteidigen zu müssen und dabei vergessen, dass die Liebe die Grundlage der wahren Lehre ist. Aber auch von Laien, Kirchenkritikern, die unbarmherzig auf konservative Bischöfe eindreschen. Es geht nicht darum, darauf zu verzichten, sich gegenseitig zu kritisieren. Das ist unerlässlich und es ist höchste Zeit, Kritik zu üben, sie zuzulassen und auszuhalten. Doch bei alledem ist es und bleibt es wichtiger als Recht zu haben, dass wir zusammenkommen, mit einander streiten, beten, füreinander da sind, uns einsetzen für die Armen und Entrechteten, und uns bei allem Streiten wie das für Liebende gilt, uns danach immer noch die Füße gegenseitig waschen können.

Jetzt  aber ist die Voraussetzung dafür gegeben, dass in der Kirche endlich die Königsherrschaft Gottes einziehen kann, dass der Weg dafür endlich frei ist. Und dass wir mit Händels Messias einstimmen können:

Denn es ist uns ein Kind geboren
und zum Heil ein Sohn gegeben
und die Herrschaft ist gelegt auf seine Schultern
und sein Name soll heißen
Wunderbar, Herrlicher, der starke Gott
der Ewigkeiten Vater und Friedefürst

Damit wir unseren wahren Herrscher, Fürsten, Monarchen, in der Kirche begrüßen dürfen. Der nicht da ist, um gesehen und bewundert zu werden. Der nicht um sich schlägt, wenn man nicht pariert, sich nicht so verhält, wie er es sich wünscht. Sondern da ist, um uns zu sehen, uns, wo wir stark sind, darin zu bestärken, wo wir schwach sind, uns anzunehmen und aufzubauen. Der davon beseelt ist, dass es uns gut geht. Der wirklich an uns interessiert ist.

Wenn aber der wahre Monarch in die Kirche einzieht, fallen die Throne, auf denen bisher die Herrschenden thronten in sich zusammen. Die Herrschenden stürzen zu Boden. Da, wo sie hingehören: auf den Boden. Um jetzt, endlich auf dem Boden gelandet, zusammen mit denen, die immer schon auf dem Boden gelebt haben, über die sie aber bisher geherrscht haben, um in Verbundenheit mit dem wahren König, die allen Getauften zugesagte königliche Priesterschaft wahrzunehmen.

Damit das aber geschehen kann, damit endlich der wahre König in die Kirche einziehen kann, ist es wichtig und notwendig, das Ende der Monarchie in der Kirche einzuläuten. Wenn sie stille werde und lausche, höre ich schon von Ferne die  Glocken läuten. Ihr Klang wird immer lauter. Eines Tages wird der Klang der Glocken in ihrer ganzen Klangesfülle zu vernehmen sein, werden überall dort, wo noch Kirche  ist, die Glocken läuten. Um der Freude darüber Ausdruck zu verleihen, dass endlich Jesus, auf einem Esel sitzend – wieder – in die Kirche einzieht. Und mit ihm Gott, von dem der Dichter  Edward Shilitto (in: Campbell 1981, 47) schreibt:

Die anderen Götter waren stark; du aber warst schwach;
ritten hoch zu Pferde, du aber strauchelst zu einem Thron,
Doch zu unseren Wunden können allein Gottes Wunden sprechen,
Und außer dir hat kein Gott Wunden.

Wenn in der Kirche tatsächlich Gott die Herrschaft übernimmt, sie zu seinem Königreich macht: Gott, der die Liebe ist, Gott, der zu seinem Thron strauchelt. Nicht, um dort über uns zu thronen, sondern auf uns zu schauen, uns zu segnen, indem er uns Gutes zusagt. mit uns fühlt. Damit aber unmissverständlich sagt und demonstriert: mein Reich ist dort, wo die Liebe regiert, wo die Not, das Elend, die Verzweiflung der Opfer sexualisierter Gewalt, überhaupt jeder Form von Gewalt, gesehen, gespürt und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, verhindert, gelindert wird. Ich bin da, wenn ‚zwei oder drei‘ schlicht und unauffällig ‚versammelt sind in meinem Namen‘ (Matthäus 18,20), mich anrufen und mir danken.

Im Neuen Testament lesen wir: Als die Stunde gekommen war, legte er sich mit den Aposteln zu Tisch. Und er sagte zu ihnen: Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis es seine Erfüllung findet im Reich Gottes.

Derweil essen wir dieses Paschamahl. Mit Ihm, in dessen Namen wir versammelt sind, in unserer Mitte. Wir lassen uns dabei gottseidank immer weniger von den Einwänden der Theologen und Kirchenleute beeindrucken, die uns vorschreiben wollen, mit wem oder unter wessen Leitung wir dieses Paschamahl miteinander feiern. Wir teilen  miteinander gebrochenes Brot, auch als Ausdruck der erfahrenen Verbundenheit mit IHM und miteinander. Wir warten nicht bis zum St. Nimmerleinstag darauf, wir meinen es ernst mit der Einheit, die nicht von der Klärung  theologischer Unterschiede abhängt. Wir wissen, dass im Tiefsten jene Einheit längst vorhanden ist und sind ein lebendiges Beispiel dafür. Wir folgen der Sehnsucht unseres Herzens, miteinander verbunden sein zu wollen in der Erfahrung von Gemeinschaft mit DEM, DER mitten unter uns ist, wenn wir in seinem Namen versammelt sind.

In diesem Moment, wenn wir in seinem Namen versammelt sind, kristallisiert sich eine neue Kirche heraus, die immer mehr zum Vorschein kommt, während die alte Kirche verschwindet. „Das große Schiff des traditionellen Christentums sinkt auf den Grund“, sagt Tomáš Halík. „Und wir sollten keine Zeit damit verlieren, die Liegestühle auf der Titanic hin und her zu schieben“.

Das Wasser des Lebens

Lassen Sie mich enden mit einer Geschichte, die zu den Lieblingsgeschichten von C. G. Jung gehört und inzwischen auch zu meiner Lieblingsgeschichte gehört, wenn es darum geht aufzuzeigen, wie es um die Kirche bestellt ist und, wie es mit ihr weitergehen kann oder weitergehen könnte.

Das Wasser des Lebens, beseelt von dem Wunsch, sich auf der Erde zu zeigen, sprudelte unablässig und ohne Anstrengung aus einem natürlichen Brunnen. Die Menschen kamen von überall her, um von dem magischen Wasser zu trinken und spürten, dass es sie nährte, da das Wasser so klar, so rein und belebend war. Doch die Menschen waren nicht zufrieden damit, die Dinge in ihrem paradiesischen Zustand zu belassen. Mit der Zeit fingen sie an, einen Zaun um den Brunnen zu bauen, Eintrittsgeld zu verlangen, Besitzansprüche auf das Grundstück zu erheben. Sie schufen Vorschriften, wer Zutritt zum Brunnen hat und wer nicht, und brachten Schlösser an die Zugangstore an. Sehr bald war der Brunnen im Besitz der Mächtigen und der Elite.

Das Wasser ärgerte sich darüber und empfand das als eine Beleidigung. Es hörte auf zu fließen und begann an einem anderen Ort zu sprudeln. Die Leute, die das Grundstück rund um den ersten Brunnen besaßen, waren so beschäftigt mit ihren Machtsystemen und Besitzansprüchen, dass sie gar nicht mitbekamen, dass das Wasser aufgehört hatte, zu fließen. Sie fuhren fort, das nicht vorhandene Wasser zu verkaufen und nur wenige merkten, dass die ursprüngliche Kraft des Wassers verloren gegangen war. Aber einige Unzufriedene machten sich mit großem Mut auf die Suche nach dem neuen Brunnen.

Wenn ich diese Geschichte auf die katholische Kirchen übertrage, stimmt mich das sehr nachdenklich. Wir sehnen uns nach dem lebendigen Wasser. Wir sehnen uns nach spiritueller Nahrung, die uns wirklich nährt. Doch finden wir dieses lebenspendende Wasser an den Plätzen, die für sich in Anspruch nehmen, Quellorte dafür zu sein? Ich finde es jedenfalls wichtig, dass die katholische Kirche nicht mit großer Selbstverständ­lichkeit davon ausgeht, dass sie das lebendige Wasser anbietet, das den spirituellen Durst der Menschen zu stillen vermag. Nicht, dass ich an der Anwesenheit Gottes in unserer Welt und da auch in der Kirche zweifle. Nein! Das tue ich nicht. Gerade, weil ich nicht daran zweifle, ist es für mich wichtig, dass die Kirche ein Ort ist, an dem die Menschen, wir, das lebendige Wasser finden, nach dem sie sich, wir uns sehnen. Ich kann es aber auch verstehen, dass sie, wir,  es anderswo suchen, wenn sie, wir, es dort nicht finden oder der Zugang zu ihm ihnen, uns, verwehrt wird.

Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Kirche zu einem Ort wird, der nicht von der Kälte eines klerikalen Systems, in der Monarchen das Wort haben, geprägt ist, sondern die Kirche als ein Ort erfahren wird, an dem die Liebe, die Gott selbst ist, vorherrscht, an dem das Volk Gottes lebt, das laos theou, in dem es nur noch Laien im Sinne von Mitglieder, Glieder des einen Volkes Gottes gibt. Die als Priester und Priesterinnen, Propheten und Prophetinnen, Könige und Königinnen in die Nachfolge dessen treten, der, als die Stunde gekommen war, einen Kelch nahm, das Dankgebet sprach und sagte:

Nehmt diesen und teilt ihn untereinander! Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt. Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.

Tut dies zu meinem Gedächtnis! Genau das werden wir tun. Auch weil wir es kaum erwarten können, dass das Reich Gottes kommt. ER kommt. Damit wir jetzt schon in der Kirche, unserer Kirche, einen Vorgeschmack davon schmecken dürfen.

Von dem fünfjährigen Karl Barth wird berichtet, dass er am Palmsonntag den ganzen Tag damit verbrachte, die Gardinen hochzuhalten und nach draußen zu schauen – in der freudigen Erwartung, dass Jesus gleich vom Bremgartenwald nach Bern einziehe. Gefragt, ob er nicht am Abend enttäuscht war wegen der „Parusieverzögerung“, antwortete er: „O nein, keineswegs! Vielmehr habe ich gedacht, wenn das Warten auf ihn schon so schön war, wie schön wird es erst sein, wenn er tatsächlich eintrifft!“

Ja, wie schön wird es erst sein, wenn ER tatsächlich eintrifft. Nicht hoch zu Ross, nicht in einem Fiaker, sondern auf einem Esel reitend? Lassen wir uns überraschen….Und. Hören Sie es nicht auch: Läuten da nicht in der Ferne Glocken des Stephandoms, und, wenn sie ganz genau hinhören, ist das nicht zwischendurch das Blöcken eines Esels zu vernehmen? O Gott, Er ist tatsächlich auf dem Weg – zu uns? 

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