Steuerwidmung statt Kirchensteuer

Einführung der Steuerwidmung für anerkannte Religionsgemeinschaften und den Staat als Ersatz für das NS-Kirchenbeitragsgesetz

Mit dem Oktroi des NS-Kirchenbeitragsgesetzes am 27. April mit Geltung 1. Mai 1939 für vier Religionsgemeinschaften nach der Okkupation wurde in Österreich ein Klima geschaffen, das schon in den ersten drei Jahren zu über 300.000 Kirchenaustritten geführt hat. Das Gesetz trägt die Unterschrift von Arthur Seyß-Inquart, der 1946 als Kriegsverbrecher hingerichtet wurde. Die Bischöfe Österreichs haben 1939 geschlossen schriftlich dagegen protestiert. Alle von Hitler-Deutschland annektierten Länder haben in ihrem Gebiet solche Kirchenbeitragsgesetze, deren Ziel „ein vernichtender Schlag gegen die Kirchenorganisation“ war, wieder beseitigt, nur Österreich hat es noch.

Seit 1945 sind 2,4 Millionen Katholiken in Österreich aus der Kirche ausgetreten, im Jahr 2018 allein waren es 58.376 Austritte. Im Vergleich dazu hatte in Italien die Diözese Bozen-Brixen (ca. 480.000 Katholiken) im Jahr 2018 vierzehn Austritte, die Erzdiözese Laibach (ca.580.000 Katholiken) hatte 2018 siebenundzwanzig Austritte. Im Vergleich dazu hätte in Österreich die katholische Kirche 2018 etwa 150 Austritte haben dürfen. Das Amtsblatt der Bischofskonferenz hat schon 1998 bei zwei Drittel der ausgetretenen Personen den "Kirchenbeitrag als Motiv für den Austritt" festgestellt. Bei einer ORF-Umfrage 2009 votierten 85% für „Eine Alternative zum Kirchenbeitrag ist längst überfällig“. Kirchenaustritte betreffen auch andere Religionsgemeinschaften.

Die im Mai 2019 vorgestellte FreiburgerStudie hat für Deutschland den Rückgang der Katholiken und Evangelischen von zusammen 54 Prozent auf 29 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2060 prognostiziert. Werden Österreichs Katholiken dann von derzeit 57 % bei einem Anteil von 27-29% der Bevölkerung stehen, zumal die Austrittsrate in Österreich konstant höher ist als in Deutschland. In der Religionszugehörigkeitsstudie für Österreich wurde 2017 schon für 2046 ein Katholikenanteil von 39 % geschätzt.

Eine Alternative zur NS-Kirchensteuer (Kirchenbeitrag) bietet die 1984 in Italien eingeführte Steuerwidmung für den Staat und anerkannte Religionsgemeinschaften mit einer jährlichen Abstimmung ohne zusätzliche Belastung für die Bevölkerung. Ein zweiter Widmungstopf (0,5 %) existiert in Italien davon unabhängig für Kultur, Soziales und Umwelt. Die Steuerwidmung ist auch in Spanien, Polen, Slowakei und Ungarn und Slowenien eingeführt. Das Volumen der bisherigen Finanzierung der anerkannten Religionsgemeinschaften wäre als Steuerwidmung auch ohne Steuererhöhung für das Budget Österreichs verkraftbar (Vgl. Hypo 8 Milliarden €). Zudem kann damit die steuerbefreite Bevölkerung in Österreich, ca. 2,6 Millionen Personen, vom Kirchenbeitrag treffsicher entlastet und soziale Gerechtigkeit (staatlich steuerbefreit) hergestellt werden. Außerdem wäre ein Konfliktpotential beseitigt, wenn Konfessionslose nicht mehr für die Absetzbarkeit von Kirchenbeiträgen mitzahlen, sondern selbst frei widmen können. Ein Volumen von ca. 650 Millionen € würde das Budget weniger als zur Hälfte zusätzlich belasten, bei gleichzeitigem „Kirchen-Steuerentfall“ für 75% der Bevölkerung.

Für Österreich soll mit der Steuerwidmung prioritär das Zielerreicht werden, das jetzige Finanzierungsvolumen der Religionsgemeinschaften langfristig zu sichern. Während mit Beibehaltung des NS-Kirchenbeitragsgesetzes leicht absehbar ist, dass 2060 nur mehr die Hälfte des Personals und der kirchlichen Gebäude finanzierbar sein werden.

Das Kirchenrecht kennt keinen Kirchenaustritt, sondern nur den Glaubensabfall. Wer nicht zahlt, dem wird zu Unrecht Glaubensabfall unterstellt. Damit wird der Ausschluss vom Abendmahl und Kommunionempfang und der Entzug kirchlicher Rechte begründet und der Prozess der Entfremdung durch die Kirche selbst verstärkt. Kaum jemand der Ausgetretenen ist aber vom „Glauben abgefallen“. Biblisch ist mit dem Wort Jesu „tut dies zu meinem Gedächtnis“ und der Taufe der Auftrag zur Eucharistiefeier verknüpft.

Die mit dem Kirchenbeitragsgesetz vor 80 Jahren eingeführte Religionspolitik der Nazidiktatur in Österreich zu überwinden, ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen und wäre dem Ansehen der Republik und einem Klima des Zusammenhalts aller in Österreich sehr förderlich. Die demokratische Mitwirkung der Bevölkerung durch Steuerwidmung würde Kirchen und Religionsgemeinschaften mehr Engagement, Vertrauen und Glaubwürdigkeit sichern. Die prinzipielle Trennung von Kirchen und Staat bliebe erhalten, die staatliche Finanzstruktur würde nur für die Widmung des Steueraufkommens/Steuerleistung der Bürger/innen hoheitlich zur Verfügung gestellt.

Um die negativen Auswirkungen der NS-Religionspolitik in Österreich zu beenden, fordern wir den völligen Ersatz des Kirchenbeitragsgesetzes der NS-Diktatur nach 80 Jahren durch ein neues Gesetz für Österreich - analog dem 1984 in Italien eingeführten Modell - zur Steuerwidmung für anerkannte Religionsgemeinschaften und den Staat als vorrangiges Ziel.

Rudolf K. Höfer